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Kindesmissbrauch sei "vielleicht nicht so tragisch gewesen"

Konsequenzen nach Skandal-Interview: Bischof von Münster schickt Priester in Ruhestand

Vergebung für Missbrauchstäter forderte ein Priester in Münster in seiner Predigt – und löste in der Gemeinde einen Eklat aus. In einem Interview mit dem WDR sprach er dann davon, dass es "vielleicht nicht so tragisch für die Kinder gewesen sei." Der Bischof Felix Genn reagierte nun auf die Worte des Priesters.

Von Lea Sarah Wolfram

Bei einer Pressekonferenz in Münster gab Bischof Genn seine Entscheidung in der Causa Zurkuhlen bekannt. Foto: Msl24/Lea Wolfram

Update: 10. Juli, 17.45 Uhr. "Fassungslos" – immer wieder fällt dieses eine Wort. Dennoch wirkt Dr. Felix Genn, Bischof im Bistum Münster, ruhig und bestimmt. Er hat für die Pressekonferenz eine Rede vorbereitet, die er lieber genau ablesen möchte. Am Mittwoch (10. Juli) hatte er kurzfristig die Presse geladen, um über die jüngsten Äußerungen des Priesters Ulrich Zurkuhlen und dessen Predigt zu sprechen.

In Bezug auf die Predigt des Priesters in der Heilig-Geist-Kirche in Münster Ende Juni betont Genn: Natürlich könne man das Thema "Vergebung" aufgreifen. Sie sei schließlich ein zentrales Thema des christlichen Glaubens. "Entscheidend ist aber, wie man das macht", sagt der Bischof weiter. Und dass er mit Zurkuhlens Ansichten zum Thema Vergebung nicht einverstanden ist, machte Genn während der Pressekonferenz mehrfach und unmissverständlich deutlich.

"Dass es das überhaupt gibt" – Bischof Genn zeigte sich erschüttert und verärgert angesichts Zurkuhlens Ansichten zum sexuellen Missbrauch von Kindern. Foto: Msl24/Lea Wolfram

Nachdem er die Aussagen Zurkuhlens, die dieser in einem Interview mit dem WDR tätigte, wiederholt hatte, entschuldigt er sich bei den Anwesenden – dafür, dass er ihnen "diese Aussagen zumuten musste". Doch sie wären entscheidend gewesen für die Konsequenz, die der Bischof von Münster einen Tag nach dem Interview zog: Mit sofortiger Wirkung versetzte er Priester Zurkuhlen in den Ruhestand. Dies habe man dem emeritierte Pfarrer bereits vor der Pressekonferenz mitgeteilt. Die Entscheidung war angesichts der Aussagen Zurkuhlens keine große Überraschung.

Zurkuhlen ist von nun an jeglicher Kirchendienst untersagt. Keine Predigten, keine Seelsorge mehr, auch keine Beichtvollmacht. Mit diesem Schritt seien auch Zurkuhlens Bezüge gekürzt worden. "Wenn einer meiner Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen solche Thesen vertritt, kann er nicht weiterhin im Dienst bleiben", betont Bischof Genn.

Der Bischof von Münster erwarte von Zurkuhlen nun eine "glaubhafte schriftliche Entschuldigung gegenüber den Betroffenen, gegenüber der Gemeinde, [...] gegenüber allen Menschen, die er verletzt hat." Außerdem untersagte er dem Priester, sich weiter zu seiner Predigt und dem damit ausgelösten Eklat zu äußern. "Ich möchte dadurch verhindern, dass er weiterhin die Betroffenen mit seinen unsäglichen Thesen belästigt."

Pfarrer Stefan Rau ist zufrieden mit der Entscheidung des Bischofs. Foto: Msl24/Lea Wolfram

Stefan Rau, Pfarrer der Heilig-Geist-Gemeinde in Münster, ist erleichtert über die Entscheidung des Bischofs. Man habe in der Pfarrei ebendiese Konsequenz gefordert. Zwar gebe es an dieser Situation "nichts Positives", wie Rau sagt. Doch zumindest habe man erlebt, dass die Gemeinde "sprachfähig sei". Die Menschen hätten protestiert und ihre Missbilligung deutlich zum Ausdruck gebracht – was Rau ausdrücklich begrüßt.

Im Anschluss stellen sich Genn und Rau weiteren Fragen. Und natürlich wird angesichts der verharmlosenden Aussagen Zurkuhlens bezüglich des Missbrauchs die Frage gestellt, ob Zurkuhlen auch selbst Täter war. Gibt es Anschuldigungen gegen Zurkuhlen bezüglich sexuellen Missbrauchs? Der Bischof von Münster antwortet kurz und knapp: Darüber wisse er nichts. Zurkuhlens Name sei in diesem Zusammenhang noch nicht gefallen.

Ob denn die vielen Aufklärungsmaßnahmen bezüglichen sexuellen Missbrauchs innerhalb der Kirche nun doch nichts genützt hätten, wird der Bischof von Münster zudem gefragt – wenn doch selbst ein Priester solche Aussagen treffe, die Kindesmissbrauch verharmlosen. Doch, die Maßnahmen würden etwas bringen, antwortet Genn. Man dürfe nicht vom Einzelfall auf die Gesamtheit schließen. Doch bei manchen Menschen sei die Schwere des Themas "noch nichts ins Herz gerutscht. Und offensichtlich sei es bei Zurkuhlen "noch nicht gerutscht."

"Vielleicht nicht so tragisch für die Kinder": Priester schockt in Münster mit neuer Aussage

Update: 10. Juli. In seiner Predigt in Münster hatte er Vergebung für Priester gefordert, die Kinder missbraucht haben. Nach diesem Eklat goss der emeritierte Pfarrer Urlich Zurkuhlen nun weiter Öl ins Feuer: Denn er steht nicht nur weiterhin hinter seiner Predigt – er gab nun auch in der WDR Lokalzeit ein Interview, das den Missbrauch an Minderjährigen verherrlicht.

Wenngleich Zurkuhlen den Missbrauchsopfern seine "volle Solidarität" zusage, wundere er sich doch darüber, dass viele von ihnen so lange geschwiegen hätten. Doch er geht noch einen Schritt weiter, wenn er sagt: "Wenn Kinder wirklich sowas Schreckliches erlebt haben, bei einem Jugendkaplan – warum gehen sie immer dahin, hinterher?"

Auf die Frage, ob Zurkuhlen leugne, dass der Missbrauch tatsächlich stattgefunden habe, verneint der Priester. Doch er vermutet, "dass es vielleicht nicht so tragisch für die Kinder war." Aber herunterspielen wolle er mit seinen Aussagen nichts. Er glaube nur, dass das Verhältnis zwischen Kindern und den Tätern innerhalb der Kirche somit nicht ausschließlich schlecht gewesen sein könne – trotz des Missbrauchs.

Felix Genn, der Bischof von Münster, kündigte als Reaktion auf Zurkuhlens Aussagen eine Pressekonferenz am Mittwochnachmittag (10. Juli) an.

Kinderschändern vergeben? Predigt in Münster sorgt für Eklat

Predigt in Münster sorgt für EklatPriester fordert Vergebung für KinderschänderGemeinde-Mitglieder fordern Konsequenzen

Münster – "Das war das erste Mal in meinem 54 Jahre langen Priesterleben, dass ich bei der Predigt von einer Gruppe Protestler/innen niedergeschrien wurde", schreibt Ulrich Zurkuhlen (79) auf seiner Homepage. Ende Juni hatte der emeritierte Pfarrer in der Gemeinde "Heilig Geist" eine Predigt zum Thema Vergebung gehalten – und damit viele Mitglieder fassungslos gemacht.

Was war geschehen? Zurkuhlen war in seiner Predigt in Münster zunächst auf ein Gespräch zwischen zwei Frauen eingegangen, das er kurz zuvor mitbekommen hatte, wie er selbst berichtet. Die Frauen hätten über ihre Ex-Partner hergezogen. Deswegen habe der Geistliche in seiner Predigt davon gesprochen, wie wichtig Vergebung sei – doch mit seinen nächsten Worten schockierte er die Zuhörer.

Münster: Priester fordert Vergebung für Kinderschänder

Zurkuhlen, der in seiner Gemeinde als Seelsorger tätig ist, forderte, dass man auch den Tätern im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche vergeben solle: "Dann habe ich gesagt, dass ich es auch an der Zeit fände, dass unsere kirchlichen Hierarchen doch auch den Missbrauchs-Tätern irgendwann vergeben würden", beschreibt der Priester seine Predigt in Münster.

Die Gemeinde in Münster reagierte heftig auf die Worte des Geistlichen: Mehreren Medienberichten zufolge waren sie empört, schockiert, fassungslos. Zunächst stürmten Mitglieder des Chors, dann rund 70 Teilnehmer des Gottesdienstes unter lautstarkem Protest aus der Heilig-Geist-Kirche in Münster. Die Predigt fand daraufhin ein jähes Ende.

"Das ist doch pervers" – Offenes Gespräch zur Predigt in Münster

Der Vorfall in Münster schlug hohe Wellen, in ganz Deutschland wurde davon berichtet. Am Montag (8. Juli) wurden die Gemeindemitglieder dann zu einem offenen Gesprächsabend mit dem zuständigen und leitenden Pfarrer Stefan Rau eingeladen. Laut dpa-Bericht kamen rund 150 Personen der Einladung nach – und ließen ihrer Wut und ihrer Missbilligung der Predigt Luft.

Ein Teilnehmer kritisierte, dass Zurkuhlen einen Zusammenhang zwischen gescheiterten Ehen und Kindesmissbrauch gezogen habe. "Das ist doch pervers", habe der Mann bei der Predigt gedacht. Eine Frau aus Münster schloss kurz und knapp: "Herr Zurkuhlen, der braucht hier wirklich nicht mehr zu predigen", heißt es im Bericht der dpa weiter.

Nach Eklat: Bischof von Münster reagiert auf Predigt

Felix Genn, der Bischof von Münster, bezog nach dem Vorfall Stellung zu der Causa Zurkuhlen: Er forderte den emeritierte Pfarrer auf, für's Erste nicht mehr zu predigen. Auch Rau lehnte die Predigt ab. Für ihn habe sich die Gemeinde vor allem über Zurkuhlens Vorstellung von Vergebung erzürnt: "Ich bin an genau dieser Stelle anders als Zurkuhlen der Meinung, dass man von einem Opfer niemals Vergebung verlangen kann", äußerte Rau im Gespräch mit Kirche und Leben. Es gäbe demnach kein "Recht" auf Vergebung – diese könne nur ein "Geschenk" sein.

In der Gemeine Heilig-Geist in Muenster entbrannte über die Worte eines Priesters heftige Diskussionen. Foto: Google Maps Screenshot

Erst kürzlich machte das Bistum Münster deutschlandweit Schlagzeilen: Bei der Protestaktion "Maria 2.0" traten von Münster ausgehend etliche Katholikinnen in den Streik. Sie kritisierten unter anderem die erwähnten Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche – und forderten Aufklärung statt Vertuschung. Auch bei einer anderen Aktion wurde der Umgang der Kirche mit den Missbrauchsfällen scharf kritisiert: Bei der Säkularen Buskampagne, die auch in Münster Halt machte, forderte man das "Ende des Kirchenstaates".

Zurkuhlen sorgt für Eklat in Münster – doch steht weiterhin hinter Predigt

Priester Zurkuhlen war an dem Gesprächsabend in Münster nicht anwesend – er hatte die Einladung ausdrücklich abgelehnt, wie Rau berichtete. Doch er steht weiterhin hinter dem, was er in seiner Predigt sagte. So habe er seinen Standpunkt der Gemeinde auch gerne erklären wollen – "aber das alles war nicht möglich, weil die Leute so herumschrieen, dass ich mich nicht mal durch das Mikrofon verständlich machen konnte", berichtet Zurkuhlen weiter in einem Bericht auf seiner Homepage – und schließt mit den Worten:

"Ein junger Jurist sagte mir übrigens nach der Messe, Vergebung sei erst möglich, wenn die Strafe abgesessen sei. Dieser Meinung bin ich nicht."

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